FAQ zum Strafrecht
Nachfolgend möchten wir Fragen beantworten, die uns häufig gestellt wurden. Dabei bitten wir jedoch um Verständnis, dass unsere Ausführungen eine ausführliche Rechtsberatung nicht ersetzen und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können.
Bei weiteren Fragen können Sie uns gerne kontaktieren.
Wahlverteidiger vs. Pflichtverteidiger
Wahlverteidiger ist der vom Beschuldigten gewählte Verteidiger im Strafverfahren. Das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens (auch im Ermittlungsverfahren) eines Verteidigers als Beistand zu bedienen, ergibt sich aus § 137 Abs. 1 S. 1 StPO. Der Wahlverteidiger erlangt seine Rechtsstellung mit Abschluss des Verteidigervertrages. Eine Form für den Nachweis der Rechtsstellung ist grds. nicht vorgeschrieben; lediglich für die gesetzliche Zustellungsvollmacht des § 145a StPO ist die Aktenkundigkeit durch Vorliegen einer Vollmachtsurkunde erforderlich.
Drohen empfindliche Strafen (Vorwurf der Verwirklichung eines Verbrechens) oder bei schwierigen Sachverhalten muss dem Beschuldigten durch das Gericht ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden. Auch bei Anordnung der Untersuchungshaft muss zwingend ein Pflichtverteidiger bestellt werden. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass eine effektive Wahrnehmung der Rechte des Beschuldigten möglich ist.
Recht auf Akteneinsicht
Der Strafverteidiger ist uneingeschränkt zur Akteneinsicht berechtigt. Dem Strafverteidiger darf kein be- und entlastendes Material zurückgehalten werden. Sämtliche Beiakten, Beweismittelordner, Vermerke, Strafregisterauszüge, Skizzen, Photographien, Tonbandaufzeichnungen etc. sind von seinem Akteneinsichtsrecht umfasst. Es gilt der Grundsatz der Aktenvollständigkeit. Demjenigen, der sich nicht durch einen Anwalt verteidigen lässt, steht nach der Strafprozessordnung kein eigenes umfassendes Akteneinsichtsrecht zu. Ihm wird lediglich durch Überlassung von Ablichtungen von Aktenteilen eine indirekte Akteneinsicht gewährt. Ein Anspruch auf umfassende Akteneinsicht oder auf Vollständigkeit besteht nicht.
Vermögensabschöpfung
Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind Gewinne aus Straftaten einzuziehen, also „abzuschöpfen“. Das betrifft nicht nur die unmittelbar aus Straftaten erlangten Gegenstände selbst. Auch legale Vermögenswerte können Straftäterinnen und Straftätern unter bestimmten Voraussetzungen entzogen werden. Haben sie etwa die Beute aus einer Tat schon ausgegeben, müssen sie den Gegenwert ersetzen. In dieser Höhe kann der Staat auf ihr gesamtes Vermögen zugreifen. Ziel des Gesetzgebers ist es, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten zu erleichtern und die nachträgliche Abschöpfung von Vermögensgegenständen zu ermöglichen. Von der Einziehung kann in Ausnahmefällen aber auch abgesehen werden.
Strafbefehlsverfahren gem. §§ 407 ff. StPO
Das Strafbefehlsverfahren ist ein Verfahren, dessen Bedeutung vor allem darin liegt, Fälle minder schwerer Kriminalität schnell und unkompliziert abzuhandeln. Der Erlass eines Strafbefehls ist immer dann zulässig, wenn es sich um vor dem Strafrichter abzuurteilende Vergehen handelt. Ist bei einem Beschuldigten hinsichtlich eines derartigen Delikts ein hinreichender Tatverdacht zu bejahen, kann die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Richter Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellen. Der Antrag ist dabei auf bestimmte Rechtsfolgen zu richten. Durch den Strafbefehlsantrag wird die öffentliche Klage erhoben.
Ist bereits eine Hauptverhandlung eröffnet, kann ein Strafbefehl nur unter den Voraussetzungen des § 408a StPO erlassen werden.
Rechtsbehelfe im Strafrecht
Auch im Strafverfahren gibt es die Möglichkeit, sich gegen die strafrichterliche Entscheidung zur Wehr zu setzen. Folgende Rechtsbehelfe kennt das Gesetz, wenn man gerichtliche Entscheidungen anfechten will:
- die Berufung,
- die Revision
- die Beschwerde &
- Einspruch
Mit der Berufung werden erstinstanzliche Urteile in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft. Die Berufungsinstanz ist also eine zweite Tatsacheninstanz, in der auch neue Tatsachen und Beweismittel angeführt werden können.
Die Revision wendet sich gegen erst- und zweitinstanzliche Urteile. Allerdings kann sie nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft ist.
Mit der Beschwerde werden Beschlüsse und Verfügungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüft. Der Einspruch ist ein ordentlicher Rechtsbehelf gegen einen Strafbefehl.
Daneben gibt es sekundäre Rechtsbehelfe, wie z.B. Gegenvorstellungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden, die jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf den Verfahrensablauf haben und daher in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen. Entsprechendes gilt für die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder die Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Untersuchungshaft
Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat verdächtigt ist und ein Haftgrund besteht. Es bedarf für den Erlass des Haftbefehls – der in jedem Verfahrensstadium zulässig ist – eines dringenden Tatverdachts und eines Haftgrundes.
Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer nach deutschem Strafrecht zu beurteilenden Straftat ist. Hinzukommen muss noch ein Haftgrund.
Folgende vier Haftgründe können in allen Verfahren in Betracht kommen:
- Flucht oder Fluchtgefahr,
- Verdunklungsgefahr,
- Verdacht eines Kapitaldelikts oder
- Wiederholungsgefahr
1. Flucht oder Fluchtgefahr
Der Haftgrund der Flucht kommt in Betracht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält.
Vom Haftgrund der Fluchtgefahr spricht man, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen wird.
2. Verdunkelungsgefahr
Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr kommt in Betracht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründen, er werde
- Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
- auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständigen in unlauterer Weise einwirken oder
- andere zu solchen Verhalten veranlassen und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird.
3. Verdacht eines Kapitaldelikts
Ein Haftgrund liegt auch dann vor, wenn der Beschuldigte unter dem dringenden Verdacht steht, eine Katalogtat gem. § 112 Abs.3 StPO begangen zu haben. Die Untersuchungshaft nach § 112 Abs.3 StPO darf – entgegen seinem ausdrücklichen Wortlaut – nur dann angeordnet werden, wenn zu dem dringenden Tatverdacht hinsichtlich einer in § 112 Abs.3 StPO genannten Katalogtat der Haftgrund der Flucht- oder der Verdunklungsgefahr hinzutritt. In diesen Fällen werde jedoch an den Nachweis des Haftgrundes nicht so hohe Anforderungen gestellt wie im Rahmen des § 112 Abs.2 StPO.
4. Wiederholungsgefahr
Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass der Beschuldigte die Serie gleichartiger Taten noch vor einer Verurteilung der Anlasstat fortsetzen wird. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist damit eine vorbeugende Maßnahme der Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit vor weiteren gravierende Straftaten besonders gefährlicher Täter.
Exkurs:
Untersuchungshaft gegen einen EU-Bürger:
Dass der Beschuldigte nicht deutscher Staatsbürger ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr begründet ist. Würde man so argumentieren, so stünde nicht nur eine verbotene Diskriminierung des EU-Bürgers im Raume, sondern es bestünde auch die Möglichkeit des Verstoßes gegen Art. 12 Abs.1 EGV (Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Unter Berücksichtigung des Rahmenbeschlusses 2009/829/JI des Rates vom 23.10.2009 „Europäische Überwachungsanordnung“ sind EU-Bürger wie Deutsche zu behandeln:
Vor Art. 1 Ziffer 5 des Rahmenbeschlusses2009/829/JI des Rates heißt es:
„In einem gemeinsamen europäischen Rechtsraum ohne Binnengrenzen muss sichergestellt werden, dass eine Person, gegen die ein Strafverfahren anhängig ist und die ihren Wohnsitz nicht im Verhandlungsstaat hat, nicht anders behandelt wird als eine Person, gegen die ein Strafverfahren anhängig ist und die im Verhandlungsstaat wohnt.“
Damit der Haftgrund der Fluchtgefahr in diesen Konstellationen angenommen werden kann, muss der Beschuldigte ein Verhalten an den Tag legen, wodurch erkennbar wird, dass er sich dem Verfahren entziehen möchte bzw. den Fortgang des Verfahrens im Wesentlichen behindert.
Verteidigungsmittel gegen einen Haftbefehl
Gegen die Vollstreckung des Haftbefehls/der Untersuchungshaft kann sich der Betroffene mit der Haftprüfung oder der Haftbeschwerde zur Wehr setzten.
Nach einer Haftdauer von insgesamt sechs Monaten prüft das Oberlandesgericht von Amts wegen, ob die Untersuchungshaft fortgesetzt werden darf.
Muss ich einer polizeilichen Ladung Folge leisten?
Es ist Aufgabe der Polizei Straftaten zu erforschen. Die Polizei ist daher dazu berechtigt sowohl Beschuldigte als auch Zeugen vorzuladen.
1. Beschuldigter
Die polizeiliche Ladung vermag den Eindruck erwecken, als bestünde die Pflicht des Beschuldigten bei der Polizei zu erscheinen. Eine solche Verpflichtung des Beschuldigten findet sich aber gerade nicht in der Strafprozessordnung. Die Ladung ist nichts anderes als eine „Einladung“.
Nachteile und/oder negative Konsequenzen haben Sie demnach nicht zu befürchten, wenn Sie als Beschuldigter einer solchen polizeilichen Ladung nicht Folge leisten.
Vielmehr ist es ratsam einer polizeilichen Ladung nicht Folge zu leisten. Denn zu diesem Zeitpunkt wissen Sie zum einen nicht, über welche Informationen die Ermittlungsbehörden verfügen und zum anderen, ob Ihre Aussage Sie nicht (weiter) belastet. Zu empfehlen ist, einen Rechtsanwalt zu konsultieren, der Akteneinsicht beantragt, um dann zu entscheiden, ob Sie zum Tatvorwurf Angaben machen sollten oder nicht.
Schweigen Sie zum Tatvorwurf, kann das Schweigen auch nicht gegen Sie verwendet werden. Es ist Ihr gutes Recht als Beschuldigter in einem Strafverfahren keine Angaben zur Sache zu machen. Hierüber müssen Sie auch stets belehrt werden:
„Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen“
2. Zeuge
Anders ist dies bei Zeugen. Seit der Gesetzesänderung im Jahre 2017 sind Zeugen verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Aus der Ladung muss sich ergeben, ob ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zu Grunde liegt, da ein Zeuge andernfalls nicht entscheiden kann, ob er nun zum Erscheinen verpflichtet ist oder nicht.
Trotz alledem sind auch im Rahmen der Zeugenvernehmung die sich aus den §§ 52 ff. StPO ergebenden Zeugnis- und Aussageverweigerungsrechte zu beachten.
Einstellung des Verfahrens
Wenn kein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht und somit auch keine Anklage erhoben wird, wird das Ermittlungsverfahren mit der Einstellung des Verfahrens abgeschlossen. Diese Entscheidung soll das Verfahren endgültig beenden, § 170 Abs.2 StPO!
Wird das Verfahren noch im Ermittlungsverfahren eingestellt, so wird eine öffentliche Hauptverhandlung vermieden.
Von der Einstellung des Verfahrens hat der Staatsanwalt den Beschuldigten gem. § 170 Abs.2 StPO in Kenntnis zu setzen. Dies gilt vor allem, wenn dieser als Beschuldigter vernommen worden ist oder ein Haftbefehl erlassen war.
Gem. § 171 S.1 StPO ist der Antragsteller, d.h. derjenige, der einen Strafantrag gestellt oder eine Strafanzeige erstattet hat, über die Einstellung des Verfahrens „unter Angabe der Gründe zu bescheiden“.
Mit der Einstellung des Verfahrens sind häufig weitere Anordnungen zu treffen. So sind beispielsweise
- Asservate sind zurückzugeben,
- die Anordnung der Freilassung des in Haft befindlichen Beschuldigten, wenn das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, § 120 Abs.3 StPO. Gleichzeitig ist die Aufhebung des Haftbefehls zu beantragen.
- stehen dem Beschuldigten möglicherweise Ansprüche auf Grund des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zu (StrEG), ist er hierüber nach Maßgabe dieser Vorschriften zu belehren.
Die wichtigsten Einstellungsmöglichkeiten sind:
- Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit, § 153 Abs.1 StPO,
- Einstellung des Verfahrens nach Erfüllung von Auflagen und Weisung, § 153a Abs.1 StPO,
- Einstellung des Verfahrens bei mehreren Taten, § 154 Abs.1 StPO,
- Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts, § 170 Abs.2 StPO
- Einstellung des Verfahrens nach §§ 45 Abs.1, Abs.2, Abs.3 JGG oder
- Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 31a Abs.1, 37 Abs.1 BtMG
Beweismittel im Strafprozess
Zu den Beweismitteln im Strafprozess zählen:
- der Zeugenbeweis, §§ 48 ff. StPO,
- der Sachverständigenbeweis, §§ 72 ff. StPO,
- der Urkundenbeweis, §§ 249 ff. StPO und
- der Augenscheinbeweis, § 86 StPO.
Kein Beweismittel im engeren Sinne ist die Einlassung des Angeklagten. Da aber die Aussage des Angeklagten im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung Berücksichtigung findet, spricht man von einem Beweismittel im weiteren Sinne.
Weitere Beweismittel sind in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen.
Der Zeugenbeweis ist dabei das „Problemkind“ aller Beweismittel. Eine völlig fehlerfreie Aussage vor Gericht ist eher die Ausnahme als die Regel. Zeugenaussagen leiden zumeist unter Wahrnehmungs-, Speicherungs- oder Wiedergabefehlern. So werden etwa Speicherungs- bzw. Erinnerungsfehler durch nachträgliches Ausschmücken angereichert oder aber das, was interessiert, wird wahrgenommen; was gleichgültig ist, entgeht der Wahrnehmung. Es bleibt also Aufgabe des Gerichts, anhand der vorgenannten Beweismittel das Tatgeschehen so zu rekonstruieren, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
Zeugnisverweigerungsrecht
Anders als der Beschuldigte, der nicht zur Aussage verpflichtet ist (sog. nemo tenetur se ipse accusare Grundsatz = niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen oder gegen sich auszusagen, vgl. §§ 136 Abs.1 S.2, 243 Abs.4 S.1 StPO), muss der Zeuge vor Gericht aussagen. Die Strafprozessordnung kennt aber Ausnahmen von der Aussagepflicht des Zeugen.
1. Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen
So sieht etwa § 52 StPO das Recht vor, das Zeugnis aus persönlichen Gründen zu verweigern.
Diese Vorschrift dient der Rücksicht der Zwangslage des Zeugen, der zur Wahrheit verpflichtet ist, aber befürchten muss, durch seine Aussage einem Angehörigen zu schaden.
Ein solches Zeugnisverweigerungsrecht steht nach § 52 StPO Verlobten, Ehegatten und Lebenspartnern. Auch wenn die Ehe geschieden oder die Lebenspartnerschaft beendet ist, besteht das Zeugnisverweigerungsrecht fort.
Darüber hinaus sind auch Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern oder Onkel und Tante berechtigt, das Zeugnis zu verweigern. Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO steht hingegen engen Freunden oder langjährigen Lebensgefährten nicht zu.
Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen sind vor jeder Vernehmung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren, § 52 Abs.3 StPO. Unterbleibt die Belehrung, darf die Aussage nicht verwertet werden.
2. Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger
Nach § 53 StPO steht den sog. Berufsgeheimnisträgern ebenfalls ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Hierzu zählen z.B. Geistliche, Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte oder Psychotherapeuten. Hintergrund dieses Zeugnisverweigerungsrechtes ist der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Berufsträger und demjenigen, der dessen Hilfe und Sachkunde in Anspruch nimmt.
Bestimmte Berufsträger können hingegen, z.B. Ärzte oder Anwälte, von ihrer Verschwiegenheitspflicht gegenüber ihrem Mandanten/Patienten entbunden werden. Folglich entfällt dann auch das Zeugnisverweigerungsrecht dieser Berufsgeheimnisträger, § 53 Abs.2 S.1 StPO.
Anders als beim Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO, müssen die Berufsgeheimnisträger nicht über die Möglichkeit der Verweigerung ihrer Aussagen belehrt werden.
3. Auskunftsverweigerungsrecht
Nach § 55 Abs.1 StPO kann jeder Zeuge die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs.1 StPO bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
Der Zeuge ist über das Aussageverweigerungsrecht zu belehren, § 55 Abs.2 StPO. Unterbleibt die Belehrung, kann die Aussage des Zeugen gleichwohl verwertet werden, weil die Vorschrift des § 55 StPO dem Schutz des Zeugens und nicht dem Schutz des Beschuldigten dient.
Wahrheitspflicht
Entscheidet sich der Zeuge, zur Sache auszusagen, so ist dieser verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Tut er dies nicht, macht er sich wegen Falschaussage nach § 153 StGB strafbar.
Sagt der Zeuge unter Eid falsch aus, so macht er sich wegen Meineids gem. § 154 Abs.1 StGB strafbar. In diesen Fällen sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vor (= Verbrechen im Sinne des § 12 Abs.1 StGB).
Verwertung von Lügendetektoren im Strafprozess
Aus amerikanischen Gerichtsserien kennt man die Szene: der Angeklagte bietet aus eigenem Antrieb an, den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen anhand eines sog. Lügendetektors (Polygraphen) überprüfen zu lassen. Eine Rechtspraxis, die in Amerika üblich; hierzulande aber atypisch ist. Es fragt sich nur, wie lange noch?
1. Wie funktioniert eigentlich so ein Lügendetektor?
Mit dem Einsatz eines Lügendetektors (Polygraphen) lassen sich verschiedene Körperreaktionen messen wie z. B. Puls, Schweißbildung oder Atemfrequenz. Hierzu schließt man den Betreffenden zunächst an das Gerät an. Sodann erfolgt die Befragung über einen Kontrollfragentest, bei dem abwechselnd relevante, d.h. Fragen mit direktem Bezug zur Tat und irrelevante Fragen, also solche Fragen ohne direkten Zusammenhang mit der Tat, aber mit ähnlichen Inhalten, gestellt werden. Reagiert die befragte Person stärker auf diese relevanten Fragen gilt sie als glaubwürdig. Diese Werte geben einen Hinweis darauf, ob die befragte Person bei der Beantwortung bestimmter Fragen innerlich angespannt oder gelöst war. Es wird hierbei also nur die subjektive Richtigkeit der Aussage überprüft.
2. Gibt es eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz des Lügendetektors?
Nein, denn der Einsatz des Lügendetektors ist in der Strafprozessordnung nicht positiv normiert! Stattdessen ergibt sich aus § 136a Abs.1 StPO eine Liste verbotener Vernehmungsmethoden. Diese Vorschrift enthält keine abschließende Regelung, so dass auch weitere Vernehmungsmethoden als unzulässig eingestuft werden können. Unter eine solche weitere unzulässige Vernehmungsmethode kann z.B. auch der Einsatz des Lügendetektors fallen.
3. Wie sieht die Rechtsprechung zum Einsatz des Lügendetektors aus?
Bereits im Jahre 1954 hat der Bundesgerichtshof (BGH) sich zum Einsatz des Lügendetektors geäußert und den Einsatz des Lügendetektors mit der Begründung, dieser greife in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein, als unzulässig abgelehnt. Einen negativen Beigeschmack hatte dieses Urteil des BGH dahingehend, dass die Karlsruher Richter unberücksichtigt ließen, ob der Einsatz des Lügendetektors auch dann unzulässig wäre, wenn der Test mit Einwilligung des Betroffenen durchgeführt würde. Dem Betroffenen wurde durch dieses Urteil praktisch das Recht genommen, den Test auf freiwilliger Basis durchführen zu lassen.
Im Jahre 1998 befasste sich der BGH erneut mit der Frage des Einsatzes des Lügendetektors, jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheit, dass der Angeklagte an der polygraphischen Untersuchung freiwillig mitgewirkt hat. Der BGH lehnte solche Tests weiterhin ab; seine Begründung hat er aber erheblich geändert. So heißt es etwa:
„Die gegen den Einsatz polygraphischer Untersuchungsverfahren bislang vorgebrachten rechtlichen Einwände greifen jedenfalls bei freiwilliger Mitwirkung des Betroffenen (…) nicht durch. Der Senat sieht (…) keinen Verstoß gegen die Menschenwürde des Beschuldigten (Art. 1 Abs. 1 GG) und gegen dessen Freiheit der Willensentschließung und -betätigung (§ 136a StPO).“
„Jedoch ist die vom Angeklagten beantragte polygraphische Untersuchung nach dem mit den Sachverständigen erörterten wissenschaftlichen Kenntnisstand ein völlig ungeeignetes Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO.“
Das bedeutet, selbst wenn der Betroffene aus eigenem Antrieb, also freiwillig, seine Aussagen durch ein polygraphisches Verfahren untersuchen lassen möchte, dessen Wunsch nicht entsprochen werden kann, weil das Beweismittel als völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs.3 S.2 StPO eingestuft wird. Unter völliger Ungeeignetheit versteht man, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis sagen kann, dass sich mit einem solchen Beweismittel das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt.
4. Wird sich in Zukunft an der Rechtsprechung was ändern?
In jüngster Vergangenheit hat insbesondere das Amtsgericht Bautzen (2013) für Aufsehen gesorgt, indem es, um den Wahrheitsgehalt des Angeklagten zu überprüfen, den Lügendetektor zu Rate gezogen hat. Mit positivem Ausgang für den Angeklagten:
Das Ergebnis der polygraphischen Untersuchung wurde für verwertbar erklärt und der Angeklagte wurde freigesprochen!
Es ist ein erster Schritt für die Anerkennung der polygraphischen Untersuchung als taugliche Beweismethode und somit als taugliches Beweismittel. Jedoch bleibt abzuwarten, ob die ober- und bundesgerichtliche Rechtsprechung dem Beispiel des Amtsgerichts Bautzen folgen wird.