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Nur wer für seine Abfindung kämpft, bekommt auch eine bessere Abfindung. Denn je schwerer es einem Arbeitgeber fällt, sich von einem Mitarbeiter zu trennen, umso besser sind die Chancen auf eine gute Abfindung.

Wann hat man überhaupt Anspruch auf eine Abfindung?

Achtung: Es gibt KEINEN gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung – auch dann nicht, wenn man unberechtigt vom Arbeitgeber gekündigt wurde. 

Ein Abfindungsanspruch kann sich auf zwei Weisen ergeben: Entweder durch eine vertragliche Vereinbarung (z. B. Arbeitsvertrag, Tarifvertrag etc.) oder durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber.

Folgende Möglichkeiten gibt es dabei:

  1. Aufhebungsvertrag: Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung des Arbeitgebers und Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Um eine reguläre Kündigung und damit das Risiko eines Kündigungsschutzprozesses zu vermeiden, sind Arbeitgeber bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags häufig zur Zahlung einer Abfindung bereit.

     

  2. Betriebsbedingte Kündigung: § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sieht eine Abfindung vor, wenn es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handelt. Das kommt jedoch nur infrage, wenn der Arbeitgeber die Zahlung freiwillig im Gegenzug zu einem Klageverzicht des Arbeitnehmers anbietet, und ist in der Praxis deshalb sehr selten.

     

  3. Gerichtlicher Vergleich: Bestehen für den Arbeitnehmer gute Chancen, den Kündigungsschutzprozess zu gewinnen, sind Arbeitgeber meist bereit, gegen Einstellung des Verfahrens eine Abfindung zu zahlen.

     

  4. Auflösungsurteil: Geht der Kündigungsschutzprozess für den Arbeitnehmer erfolgreich aus, ist der Arbeitsplatz gerettet. Ist jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar, kommt statt der Erhaltung des Jobs häufig auch eine Abfindung infrage.

     

  5. Sozialplan: Im Falle einer Betriebsänderung in einem Unternehmen wird oft ein Sozialplan erstellt, nach dem entschieden wird, welche Arbeitsverhältnisse zu kündigen sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Betriebsänderung wesentliche Nachteile für die Belegschaft nach sich zieht. Ein solcher Sozialplan enthält häufig auch Regelungen über eine Abfindung.

     

  6. Betriebsvereinbarung: Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat enthalten ebenfalls oft Regelungen bezüglich einer Abfindung mit Wirkung für das gesamte Unternehmen.

Wie berechnet man die Abfindung?

Eine pauschale Aussage darüber, wie hoch die Abfindung ausfallen wird, lässt sich nicht treffen. Vielmehr entscheidet immer der Einzelfall über die Abfindungshöhe. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Höhe Ihrer Abfindung zu ermitteln: Entweder die Abfindungssumme ist bereits vertraglich vereinbart, z. B. in einem Tarifvertrag, oder sie hängt von Ihrem Verhandlungsgeschick ab.

Für eine grobe Ersteinschätzung kann die folgende Faustregel herangezogen werden:

1. Möglichkeit:    

    Abfindung = (Bruttomonatsgehalt ÷ 2) x Beschäftigungsjahre

oder

2. Möglichkeit: 

   Abfindung = Bruttomonatsgehalt x Beschäftigungsjahre

Was zählt zum Bruttomonatsgehalt?

Zum Einkommen, das für die Ermittlung der Abfindungssumme relevant ist, gehört das monatliche Einkommen vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Hinzugerechnet werden außerdem folgende Posten:

  • Prämien
  • Bonuszahlungen
  • Sonderzuwendungen (zB. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld)
  • Sachbezüge (z. B. Nutzung einer Dienstwohnung)
  • Geldwerte Vorteile (z. B. privates Nutzen eines Firmenwagens)

Welche Auswirkungen haben sonstige Zahlungen?

Häufig möchten Arbeitgeber ihre gekündigten Arbeitnehmer dazu bewegen, auf bestimmte Zahlungsansprüche zu verzichten und bieten ihnen im Gegenzug eine höhere Abfindung an. Dabei geht es meist um Zahlungen wie:

  • Urlaubsabgeltung
  • Weihnachtsgeld
  • Provision
  • Überstundenvergütung

Aber Achtung: Als Arbeitnehmer sollten Sie auf ein solches Angebot nur eingehen, wenn Ihr Anspruch auf diese Zahlungen rechtlich umstritten ist. Besonders vorsichtig müssen Sie sein, wenn der Verdacht besteht, dass die „Abfindung“ auch die Summe noch nicht gezahlter Gehälter umfasst. Andernfalls würden Sie Ihrem Arbeitgeber dabei helfen, Ansprüche auf Arbeitslohn in einen Abfindungsanspruch „umzuwandeln“ und so die Sozialversicherungspflicht zu umgehen!

Was zählt zur Betriebszugehörigkeit?

In den meisten Fällen richtet sich die Abfindungshöhe außerdem nach der Länge der Betriebszugehörigkeit. Das bedeutet: Je länger Sie in dem Unternehmen gearbeitet haben, desto höher kann ihre Abfindung ausfallen!

Ältere Arbeitnehmer erhalten deshalb häufig eine höhere Abfindung als jüngere Mitarbeiter. Laut dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 26.05.2009, Az.: 1 AZR 198/08) handelt es sich dabei auch nicht um eine unzulässige Diskriminierung. 

Zur Betriebszugehörigkeit zählen alle Zeiträume, in denen Sie als Arbeitnehmer für den bestimmten Arbeitgeber tätig waren. Dabei ist es unerheblich, ob Sie in dieser Zeit tatsächlich gearbeitet haben. Das heißt: Auch Elternzeit, Teilzeitarbeit und Krankheitszeiten zählen dazu.

Bei nicht vollen Beschäftigungsjahren wird in der Regel ab sechs Monaten auf ganze Jahre aufgerundet. Das bedeutet: Waren Sie drei Jahre und zwei Monate in einem Betrieb beschäftigt, zählt für die Abfindung eine Betriebszugehörigkeit von drei Jahren. Waren es drei Jahre und sieben Monate, zählen vier Jahre.

Sonderfall: besonders lange oder kurze Betriebszugehörigkeit

War ein Arbeitnehmer nur sehr kurz oder besonders lange in dem Betrieb tätig, kann die Berechnung der Abfindung nach der Faustregel ungerecht sein. In solchen Fällen ist deshalb häufig eine Korrektur vonnöten, die der betroffene Arbeitnehmer bei den Abfindungsverhandlungen unbedingt ansprechen sollte – gerade, wenn dadurch eine höhere Abfindung absehbar ist.

Muss man auf die Abfindung Steuern zahlen?

Ja! Die Abfindung zählt zum steuerpflichtigen Einkommen. Deshalb muss auf die Abfindungssumme Einkommensteuer gezahlt werden. Woher der Anspruch auf die Abfindung stammt, ist dabei unerheblich. Sowohl Abfindungen, die im Kündigungsschutzprozess erstritten wurden, als auch solche, die man durch einen Aufhebungsvertrag zugesprochen bekommen hat, müssen versteuert werden.

Bruttoauszahlung vs. Nettoauszahlung

Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich darauf einigen, ob die Abfindungssumme brutto oder netto ausgezahlt werden soll. Üblich ist eine Bruttozahlung. Das bedeutet: Der Arbeitnehmer zahlt die darauf anfallenden Steuern. Anders bei einer Nettozahlung: In dem Fall werden die Steuern vom Arbeitgeber bezahlt.

Gibt es keine explizite Regelung, etwa im Aufhebungsvertrag, darüber, ob die Abfindung brutto oder netto ausgezahlt werden soll, gilt im Zweifel eine Bruttozahlung. Behauptet der Arbeitnehmer das Gegenteil, müsste er das beweisen.

Wie funktioniert die Fünftelregelung?

Die Besteuerung der Abfindung erfolgt meist mit der sog. Fünftelregelung:

  1. Zunächst wird die Abfindungssumme durch fünf geteilt.
  2. Das Ergebnis wird zum Jahresgehalt addiert.
  3. Für die gesamte Summe wird die Einkommensteuer berechnet.
  4. Anschließend wird die Einkommensteuer für das Jahresgehalt ohne Abfindung errechnet.
  5. Die Differenz der beiden Ergebnisse wird mit fünf multipliziert.
  6. Das Ergebnis ist die geminderte Einkommensteuer, die auf die Abfindung gezahlt werden muss. Möglich ist die Fünftelregelung nur unter bestimmten Voraussetzungen:
  • Die gesamte Abfindungssumme wird innerhalb eines Kalenderjahres ausgezahlt.
  • Die Abfindung muss höher sein als der bis zum Jahresende wegfallende Lohn.
  • Die Abfindung wird nicht bereits durch den Arbeitsvertrag garantiert.
  • Der Arbeitnehmer hat nicht selbst gekündigt.
  • Die Abfindung ist kein Ausgleich für bereits erbrachte Leistungen, wie z. B. Überstunden oder ausstehende Gehälter.

Muss man Sozialabgaben auf die Abfindung zahlen?

Hier ist die Antwort ein klares Nein. Bei der Abfindung handelt es sich um eine Entschädigungsleistung für den Verlust des Arbeitsverhältnisses und nicht um ein Arbeitsentgelt. Damit ist sie nicht sozialversicherungspflichtig. Das ergibt sich aus § 14 SGB IV. 

Tipps: So erreichen Sie eine höhere Abfindung

1. Verhandlungsgeschick

Wenn es um die Abfindungshöhe geht, ist vor allem eines gefragt: Verhandlungsgeschick. Je besser der betroffene Arbeitnehmer sich in den Verhandlungen schlägt, desto höher kann die Abfindung ausfallen.

2. Kündigungsschutz

Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Stärke Ihres Kündigungsschutzes. Je besser das Gesetz Sie vor einer Kündigung schützt, desto besser sind Ihre Chancen in einer Kündigungsschutzklage. Die Folge: Ihr Arbeitgeber wird eher bereit sein, eine Abfindung zu zahlen, um das Risiko eines verlorenen Prozesses nicht eingehen zu müssen.

Faktoren, die Ihren Kündigungsschutz  erhöhen, sind insbesondere:

a) Sonderkündigungsschutz für

  • Schwangere, 
  • Schwerbehinderte, 
  • Betriebsratsmitglieder, 
  • Auszubildende & 
  • Arbeitnehmer in Elternzeit

b) fehlende Abmahnung

c) fehlendes Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)  

3. Langes Kündigungsschutzverfahren

Je länger das Kündigungsschutzverfahren sich hinzieht, umso bessere Chancen haben Sie, eine hohe Abfindung herauszuschlagen. Denn: Stellt sich im Kündigungsschutzprozess heraus, dass die Kündigung unwirksam war, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen und Ihr Arbeitgeber muss Ihnen für die gesamte Dauer von der ausgesprochenen Kündigung bis zum Ende des Gerichtsverfahrens Lohnkosten nachzahlen.

Je länger die Klage dauert und je besser Ihre Gewinnchancen sind, desto eher wird sich der Arbeitgeber deshalb auf eine höhere Abfindung einlassen.

4. Weitere Faktoren

Hinzu kommen weitere Aspekte, die die Höhe Ihrer Abfindung beeinflussen können. Dazu zählen insbesondere Eigenschaften des Arbeitnehmers:

  • Position im Unternehmen
  • Alter
  • Unterhaltsverpflichtungen
  • Chancen auf Arbeitsmarkt

Auch Eigenschaften des Arbeitgebers spielen eine Rolle, z. B.:

  • wirtschaftliche Lage
  • Betriebsgröße
  • Stärke der Branche

Wissenswertes zur Abfindung

1. Auswirkung auf Arbeitslosengeld

Wer eine Abfindung erhält, riskiert eine Sperre beim Arbeitslosengeld. Das gilt immer dann, wenn die Arbeitsagentur eine frühzeitige freiwillige oder vom Arbeitnehmer verschuldete Beendigung des Arbeitsverhältnisses annimmt, insbesondere bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags.

Die Folge ist eine dreimonatige Sperrzeit, das heißt, Sie erhalten drei Monate weniger Arbeitslosengeld. Das schmälert indirekt Ihre Abfindung.

Beachten Sie deshalb Folgendes, um eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu vermeiden:

  • Kündigen Sie nicht ohne einen nachweisbar wichtigen Grund.
  • Achten Sie auf die Einhaltung der Kündigungsfrist für eine ordentliche Kündigung.
  • Schließen Sie einen Aufhebungsvertrag nur ab, dessen Inhalt eine drohende Sperrzeit sicher vermeidet, also verdeutlicht, dass ohne den Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber ohne Verschulden des Arbeitnehmers beendet worden wäre.

2. Auswirkung der Kündigungsfrist

Insbesondere bei langen Kündigungsfristen versuchen Arbeitgeber häufig, die Kündigungsfristen zu verkürzen, um nach ausgesprochener Kündigung weniger Gehalt an den Arbeitnehmer zahlen zu müssen. Im Gegenzug bieten sie eine höhere Abfindung an.

ABER: Ein solches Vorgehen ist unzulässig! Es handelt sich dabei um eine unerlaubte Umgehung der Sozialversicherungspflicht, da auf die Abfindung – im Gegenteil zum Gehalt – keine Sozialabgaben zu zahlen sind. Lassen Sie sich darauf ein, machen Sie sich mit schuldig. Es droht zudem eine Sperrzeit oder sogar das Ruhen Ihres Arbeitslosengeldanspruchs.

Einen echten Vorteil gibt es für Sie dabei sowieso nicht. Es handelt sich um eine Mogelpackung! Sie verzichten auf Geld, das Ihnen sowieso zusteht und bezahlen damit indirekt Ihre eigene Abfindung!

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