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Die Läden sind geschlossen, die Miete läuft weiter. Ob das gerecht ist, beurteilen zwei Oberlandesgerichte (OLG) jetzt sehr unterschiedlich.

Am Mittwoch entschieden gleich zwei OLG über die Frage, ob eine Mieterin, die wegen Corona-Maßnahmen ihre gemieteten Räume nicht mehr zum Verkauf nutzen kann, dennoch die volle Miete entrichten muss. Und sie urteilten ganz unterschiedlich. Beide Verfahren dürften vor dem Bundesgerichtshof (BGH) weitergehen. Was Deutschlands höchste Zivilrichterinnen und -richter auf den Prüfstand stellen werden, hat Auswirkungen auf zahllose Mietverhältnisse.

Zugunsten einer Mieterin entschied das OLG Dresden. Ein Textilgeschäft der Kette „KiK“ war im ersten Lockdown aufgrund von Allgemeinverfügungen des Landes geschlossen worden. Die Miete für April 2020 zahlte die Textilkette nicht. Der Vermieter klagte und gewann in erster Instanz. Auf die Berufung hin hob das OLG Dresden dieses Urteil nun auf (Urt. v. 24.02.2021, Az. 5 U 1782/20).

Es sei, so die Dresdner Richter, eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages im Sinne von § 313 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingetreten. Der Vertrag sei anzupassen, die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte zu reduzieren. Keine der Parteien habe eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen. Es sei daher angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen. 

Auch bei einem Urteil des OLG Karlsruhe vom selben Tag (Urt. v. 24.02.2021, Az. 7 U 109/20) geht es um KiK und die Monatsmiete für April 2020. Im dortigen Verfahren aber hatte das erstinstanzlich entscheidende Landgericht dem klagenden Vermieter Recht gegeben, und das OLG Karlsruhe bestätigte dies nun.

Eine Corona-bedingte Schließungsanordnung begründet laut dem OLG Karlsruhe keinen Sachmangel. Der Zustand der Mieträume erlaube die Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume weiterhin. Mieterinnen und Mietern sei es nur dann wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unzumutbar, den vollständigen Mietzins zu zahlen, wenn ihre Inanspruchnahme ihre Existenz vernichten oder ihr wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermietenden eine Vertragsanpassung erlaube.

Dafür müssten die Umstände im Einzelnen geprüft werden, unter anderem: Rückgang der Umsätze, mögliche Kompensationen durch Onlinehandel oder durch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen zum Beispiel durch Kurzarbeit sowie fortbestehende Vermögenswerte durch weiterhin verkaufbare Ware.

Der BGH muss die Neuregelung schon beachten

Durch die angekündigte Revision erfreut sich auch eine Regelung rascher höchstrichterlicher Beachtung, die erst vor wenigen Wochen das Licht der Welt erblickt hat: Artikel 240 § 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) mit dem Titel „Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen“.

Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so die neue Vorschrift, dann wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Können gemietete Räumlichkeiten wegen Corona-Maßnahmen nicht genutzt werden, kann es also nicht einfach weitergehen wie bisher.

Nur das „reale Element“ in § 313 BGB sei hier angesprochen, heißt es dazu im Bericht des Rechtsausschusses. Und dass es sich um eine „Klarstellung“ handele, nicht um eine Neuregelung. Deswegen ist das Gesetz schon in den laufenden Rechtsstreitigkeiten zu beachten.

Das OLG Karlsruhe liegt mit seinem Urteil noch ganz auf der Linie der alten Rechtsprechung, offenbar unbeeindruckt von der gesetzlichen Neuerung.

Solange der Mieter nicht in seiner Existenz gefährdet sei, gebe es keine Anpassung.

Der Mietrechtssenat des BGH bekommt jetzt die Gelegenheit, in seinem angestammten Territorium für Ordnung zu sorgen…

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